Umbau „Wintergarten” im Central-Hotel + Sternenhimmel, 1900

Berlin

1878/80 erfolgte in unmittelbarer Nähe des Zentralbahnhofes Friedrichstraße der drei-etagige Bau des Central-Hotels in der Dortheenstraße/Ecke Friedrichstraße/Georgenstraße in Berlin-Mitte (Architekten Hermann von der Hude & Hennicke).

Integriert an der Rückseite des Hotels und als Teil des dortigen Palmengartens war ein 2.182 m² großes, glasüberdecktes Konzert- und Restaurations-Lokal unter dem Namen „Wintergarten“, welcher 20 Jahre später erstmalig umgebaut wurde und zwar nach Plänen von Bernhard Sehring (weitere 28 Jahre später abermals Umbau/Modernisierung – allerdings unter Leitung des Architekten Wilhelm Kratz).

Sehrings Auftrag war also der Umbau/Erweiterung des über 2 Geschosse reichenden öffentlichen Vergnügungssaales nebst Vor- und Nebenräumen, was sich im Verlauf der Jahre längst zu einem der ersten Varietèbühnen der Welt entwickelt hatte, und brachte dort eine phantastische Idee zur Ausführung, die er im März 1900 unter der Kaiserlichen Patentamt-Nummer 118697, Klasse 77g „Nachthimmel für Theater und Sonstige Räume” bereits patentieren lassen hatte:
er bestückte die Decke im Gegensatz zu bis dato üblichen Bogenlampen mit insgesamt 4.564 winzigen ausschließlich nach unten strahlenden Glühlampen, was zum einem spektakuläre Sterneneffekte dennoch mit hübscher Lichtausbeute ergab und zum anderen die gesamte Dach-Stahlkonstruktion geschickt und höchst dekorativ kaschierte.

Dies als Beispiel, wie Sehring
geschickt und dekorativ in diversen
Thaterbauten die Frage des Lichtes
klärte - Hunderte von Glühlampen im
Rahmen der Kassettendecke im
Theater des Westens.

Bereits beim „Theater des Westens“ verstand es Sehring, Innenarchitektur und notwendiges Licht mutig zu koppeln, indem er zum Beispiel die Kassettendecke mit blanken Glühbirnen bestückte – heutzutage noch vorhanden, wie die beistehende aktuelle Aufnahme aus dem Theater des Westens zeigt. Und seinen „Sternenhimmel” wandte er später auch in den Theatern Halberstadt und Bielefeld erfolgreich an.

Zurück zum „Wintergarten”. Sehring verlieh natürlich dem mit 1.884 Zuschauerplätze fassenden Raum neben praktischen Lösungen eine passende Optik und tauchte das Geschehen mittels Säulen, Nischen und Logen sowie den üblichen reichlichen Schmuckelementen und Girlandendekor in ein barockes Ambiente; die von schweren Vorhängen umrahmte Bühne war von einem riesigen Baldachin überspannt – eine herrliche Theaterkulisse eben. Insgesamt gesehen „zwei Berühmtheiten” unter einem Dach – nämlich der Sternenhimmel als bauliche Sensation und das vornehme Varitè-Theater „Wintergarten” im Central-Hotel selbst, wo namhafte internationale Künstler auftraten und Geschichte machten.

Die Existenz des zur Kempinski-Gruppe gehörenden Central-Hotels und somit auch des „Wintergartens” endet mit dem 2. Weltkrieg, speziell Bombenangriffe Januar und März 1944.

Nach 50 Jahren Baulücke wird der Platz mittlerweile durch das moderne „Friedrich-Carrèe” eingenommen.

Geblieben aber ist der legendäre Name und genau diesen machte sich das 1992 in der Potsdamer Straße 96 neu eröffnete Wintergarten-Varietè zum Nutzen, wo bis zum heutigen Tag traditionsbewusstes und sogleich zeitgenössisches Programm, gepaart mit (Erlebnis-)Gastronomie, angeboten wird und die Berliner Kulturszene bereichert. Sogar der einstige Sehringsche Sternenhimmel des alten Wintergartens wurde imitiert.

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